Nastja – Die bloggende Mox

International Sex Workers‘ Day

Der Internationale Hurentag, in englischsprachigen Ländern International Sex Workers’ Day genannt, ist ein inoffizieller Gedenktag, der an die Diskriminierung von Prostituierten und deren oftmals ausbeuterische Lebens- und Arbeitsbedingungen erinnert.

Ausgangspunkt des Internationalen Hurentags als Gedenktag war der 2. Juni 1975, an dem mehr als 100 Prostituierte die Kirche Saint-Nizier in Lyon besetzten, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Der Gedenktag wird seit 1976 jährlich am 2. Juni zelebriert. (Quelle: Wikipedia)

Leichtbekleidete Frau in einem Rotlichtmilleu. Screenshot aus dem Spiel Cyberpunk 2077Es gibt immer wieder Bestrebung, die Prostitution zu verbieten oder die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen unter Strafe zu stellen, das sogenannte nordische Modell. Dies unter dem Deckmantel des Feminismusses und zum Schutz der «armen ausgebeuteten Frauen». Bezeichnend dabei ist, dass gerade bei den Befürwortern der Kriminalisierung (Prostitutionabolitionist*innen nachfolgend der Einfachheit halber Abolis genannt) doch eine sehr arrogante Haltung eingenommen wird. Sie wissen es nämlich immer besser und lassen nur diejenigen betroffenen zu Wort kommen, die ihren Ansichten widerspiegeln, alle anderen werden diffamiert. Nicht zuletzt deshalb ist das Motto des Berufsverbands für erotische und sexuelle Dienstleistungen e. V. nicht nur heute «Redet mit uns statt über uns»

Prostitution und Sexwork

Was ist überhaupt Sexwork? Ganz einfach: Das gewerbsmässige Anbieten sexueller Dienstleistungen gegen eine Entschädigung. Das kann die Studentin sein, die lieber einmal die Woche mit einem «Sugardaddy» im Bett turnt als 20 Stunden neben dem Studium in einem Supermarkt zu arbeiten. Es liegt nicht an uns dies zu verurteilen. Ebensowenig wie ein Highclass Escort oder ein*e Strassenstrich-Sexworker*in. Oder eine Frau, die sich einen reichen Milliardär angelt, weil sie den Luxus liebt. 

Jede Art von Zwang gehört natürlich verboten und ist es bereits. Es geht bei der Debatte um Sexwork und nicht um Zwangsprostitution – sonst wäre es nämlich keine Arbeit. Dies ist wohl der wichtigste Punkt, den die Abolis konsequent nicht anerkennen wollen. Sie behaupten einfach generell, dass niemand sowas freiwillig machen würde, und versuchen so jegliche Diskussion im Keim abzuwürgen. Ein gewisser wirtschaftliche Zwang spielt bei den meisten Menschen eine Rolle. Wie viele Menschen machen ihren Job nur noch, weil sie es müssen, weil sie keine Alternativen sehen? Der 55-Jährige Tiefbau-Arbeiter der bei 35°C die Autobahn teert, der Banker der nicht weiss was er sonst machen soll um das Haus und den Porsche abzubezahlen, die Pflegeberufe mit 12-Stundenschichten und mehr und mässiger Bezahlung, die ihre Patienten nicht im Stich lassen wollen. 

Wie viele Arbeitstätige sind in ihrem Job wirklich glücklich? Unser Leben wird beherrscht von wirtschaftlichen Zwängen, es ist aber eine Frage der Graduierung. Jemand zur Prostitution zu zwingen ist inakzeptabel. Eine 30-jährige Migrantin, deren akademischer Grad hier nicht anerkannt ist und deshalb als Putzfrau in einem Asylantenheim arbeiten muss, um über die Runden zu kommen, sollte aber entscheiden dürfen zu sagen: «Ich mache lieber Sexwork als zu putzen», und dies ist ihre ganz persönliche Entscheidung. Sie steht ihr zu, da sie nicht in die Freiheiten anderer eingreift, im Gegenteil.

Strassenprostituierte. Screenshot aus dem Spiel Cyberpunk 2077

Sexwork ist Sklaverei

Sexwork wird immer mal wieder mit der Sklaverei verglichen. Sklaven sind ein Besitz anderer haben keine Rechte, als Sexworker*in verkauft man den eigenen Körper usw… Das ist einfach grundlegend falsch. Weder Besitz noch Eigentum des Körpers wechseln. Das ist auch gar nicht möglich, wer das nicht glaubt soll mal in einem Lexikon nachschauen was die Begriffe bedeuten. Es wird eine Dienstleistung verkauft. 

Trotzdem finde ich den Vergleich mit Sklaverei irgendwie passend. Als Inbegriff der Sklaverei assoziiert man oft die dunkle Zeit der amerikanischen Baumwollsklaverei. Das war wirklich Menschen ohne Rechte. Trotzdem hat man nicht darauf gepocht, sämtliche Träger von Baumwollhemden unter Strafe zu stellen. Stattdessen kam man zur einzig vernünftigen Entscheidung: Sklaverei ist Scheisse, aber nicht die Plantagenarbeit. Und wenn jemand freiwillig auf der Baumwollplantage arbeitet, dann gebührt im Lohn und Anerkennung der Menschenrechte. Das ist so logisch, da wird wohl niemand was dagegen einwenden, es sei denn man verschliesst sich jeder Logik und lässt sich von Emotionen leiten und kann nicht akzeptieren, dass manche sich für andere Lebensmodelle entscheiden als man selbst.

Sexwork ist Ausbeutung

Bei Sexwork ist die Ausbeutung nicht mehr als in anderen Berufen. Wird der Bäcker ausgenutzt, weil er Brötchen verkaufen muss, um über die Runden zu kommen? Gerade bei Beschäftigungen im Niedriglohnsektor, aber auch bei vielen anderen Berufen könnte man sich darauf berufen ausgebeutet zu werden. So zum Beispiel all die kleinen Angestellten von Grosskonzernen, die seit Jahren weder Lohnerhöhung noch Teuerungsausgleich erhalten, während die Firma Milliardengewinne macht und die Manager sich Millionengewinne zahlen. Wichtig ist ein fairer Lohn, für alle Berufe und Anerkennung des Geleisteten. 

Auch wird oft gesagt, man könne nie sicher sein, ob Sexwork wirklich freiwillig gemacht werde, oder ob die Sex-Dienstleister*in ausgebeutet wird. Das ist korrekt. Wie bei der Herstellung von Kleidung, und Smartphones oder bei der Rohstoffförderung. Wo wird dort überall Kinderarbeit eingesetzt? Wo muss ein Arbeiter 6 Tage die Woche je 16 Stunden arbeiten? Soll man alles verbieten? Keine Smartphones mehr kaufen, weil man nie sicher sein kann, dass nicht irgendwo jemand ausgenutzt wird? Wir sollten stattdessen kontinuierlich Missstände sichtbar machen und und daran arbeiten diese zu beheben. Das bringt für alle Mehrwert, ausser für Menschen, die glauben ihren Helferkomplex ausleben zu müssen.

Sexwork ist kein Beruf wie jeder andere

2 Prostituierte in einem Rotlichtbetrieb. Screenshot aus dem Spiel Cyberpunk 2077Sonst würde es Ausbildungen geben und beim Jobcenter würde man den Job zugeteilt bekommen, ist auch so ein Argument der Abolis. Auch da stimme ich zu. Es ist kein Job wie jeder andere. Ebensowenig wie Polizist*in, Bergsteiger*in, Mentalcoach, Schriftsteller*in, Influencer*in, Fotomodel, Profisportler*in uvw. Es gibt ganz viele Erwerbstätigkeiten, die nicht „normal“ sind. Für viele braucht es spezielle Begabungen und man kann nicht von jedem erwarten, dass er alles kann. Wenn jemand die Grund-Fähigkeit nicht mitbringt, darf man von niemandem verlangen Leichenwäscher*in zu werden. Das ist aber kein Grund, diese oder die Nutzung der entsprechenden Dienstleistung zu verbieten oder zu ächten. Und nicht jedem Beruf muss eine Ausbildung zu Grunde liegen. Allerding würde ich eine fakultative «Sexwork-Schule» begrüssen. Nicht um zu zeigen, wie man Sex macht, sondern all die anderen tausend Kleinigkeiten, die mal als Selbstständigerwerbende beachten muss: Z.B. Behördliche Pflichten und Rechte, Gesundheitsvorsorge, Konfliktvermeidungsstrategien, Buchhaltung, Steuererklärung ausfüllen, Altersvorsorge, Unfallversicherungen und Haftpflichtversicherung. Verschiedene Kurse zu den einzelnen Themen wären sehr nützlich. Der Zugang zu all den Informationen ist viel zu beschwerlich und es wäre ein Schritt zu mehr Selbstachtung und hülfe den Betroffenen ihr Leben selbstkontrolliert zu gestalten.

Sexwork und Stigma

Die Zufriedenheit mit einer Arbeit hängt auch damit zusammen, wieviel Anerkennung wir für unsere Tätigkeit erfahren. Über den Schaden den eine Stigmatisierung anrichtet, könnte man einen eigenen Bericht schreiben. Ich beschränke mich auf ein paar rhetorische Fragen:

  • Wenn ich eine Arbeit gerne mache, und dann kommen viele Leute, die sagen das sei eklig und unnormal, was macht das mit meinem Selbstvertrauen?
  • Wenn ich mich aus Scham nicht traue einen Steuerberater um Rat zu fragen, arbeite ich dann lieber illegal?
  • Wenn ich mich nicht traue zu meinem Beruf zu stehen, wie sehr gefährde  ich meine und die Gesundheit der Kund*innen weil ich nicht die sinnvollen gesundheitlichen Vorsorgetests mache?
  • Wenn ich mich über Erlebtes nicht mehr mit dem Freundeskreis austauschen kann, aus Angst vor Zurückweisung, wie sehr isoliert es mich?
  • Wenn ich bei der Wohnungssuche, Jobsuche nicht meinen Beruf angeben darf um nicht von vornerein diskriminiert zu werden, warum sollte ich da nicht kategorisch meinen Beruf verheimlichen und somit einer Lüge leben?
  • Wenn ich bei der Polizei eine Anzeige erstatte, und die sehen mich als Menschen dritter Klasse und nehmen meine Anliegen nicht Ernst, warum sollte ich mich überhaupt noch dorthin wenden?
  • Wenn mir Abolis das Recht absprechen, selber Entscheidungen zu treffen, wie sehr machen die mich damit zum Opfer?

Selbst all den Menschen in der Zwangsprostitution, wäre sehr viel mehr geholfen, wenn man sie nicht stigmatisieren würde. Dann würden sie nämlich auch eher den Mut haben, etwas gegen ihre Zwangslage zu unternehmen und nicht aus Angst und Scham, für eine Situation an der sie keine Schuld tragen, weiter zu schweigen. Prostituierte in einem Rotlichtmilleu. Screenshot aus dem Spiel Cyberpunk 2077