Nastja – Die bloggende Mox

Nastja – The blogging Mox

Gezeichnete Katze mit einseitigen Audio-Cideo-Headset

«Dr. Strangelove» 

Ein Lehrstück der Diplomatie, der hohen Kunst der Kommunikation zwischen 2 Parteien mit unterschiedlichen Interessen. Eine Cyberpunk-Kurzgeschichte von Nastja.

Publiziert am 11.5.2020 im Cyberpunk-Forum.com im Rahmen eines Foren-RPG-Spiels mit 3 Forenfraktion (Corpos, Nomads und Streetkids). Die Geschichten dienten als Propagandatexte und ab Teil 2 ist immer eine Filmanspielung dabei.

Schwerer Laster vor einem Hintergrund aus Hochhäusern.

Ein Nomads-Nerdologe (er bevorzugt die Bezeichnung Netrunner, aber Nerdologe ist einfach geiler) hat sich durch Zufall in einen hochgesicherten Kommunikationskanal gehackt. Die Chancen dazu standen bei 1:unendlich. Was heisst: Einmal in einer unendlichen Zeitspanne kann das vorkommen, und das war gestern. Dank einer Umleitung auf das Nomadfunksystem konnten unser ganzer Konvoi am Geschehen teilhaben, auch wenn wir nur eine Seite, die der Streetkids, hören konnten. Aber mit der Zeit, fanden wir auch so raus, worum es ging.

Eine neue StreetKids-Gang hat ein leerstehendes Industriegebäude annektiert und plante es als ihr neues Hauptquartier benutzen. Als sie dann im Keller einen Haufen alten Server fanden, dachten sie sich noch nichts dabei. Bei der Durchsicht stellten sie aber fest, dass dort, vergessen seit Jahren, hochbrisante Dokumente einer angesehenen Corporation lagerten, der Militec International Armaments. Keine technischen Schnickschnack-Sachen. Nein, es waren wirklich wichtige Sachen wie Mitarbeiterbewertungen, Lohndaten, Bonizahlungen der Bosse, Arbeitszeiterfassungen, Spesenabrechnungen und vieles mehr. Sachen, die eine Firma von innen auffressen kann, wenn das bei den Mitarbeiten publik wird. Warum die Daten dort lagerten war unbekannt, anscheinend hatte eine unabhängige Corporation, die «McKinsley Corp.» eine externe Finanz- und Optimierungsprüfung durchgeführt und die Daten eventuell schlicht vergessen, als Sie vor 2 Jahren ihr neues Büro bezogen.

Die StreetKids beschlossen nun eine höfliche Bitte an «McKinsley» zu richten. Die lautete sinngemäss so: «Hey ihr Spiesser, schiebt mal 5 Millionen Eddies rüber, wenn ihr nicht wollt, dass wir die Daten publik machen. Ihr habt 10 Minuten.» Die Corporation antwortete prompt, wie es sich gehört. 10 Minuten später war das Gebäude durch schwer gepanzerte Boden- und Flugeinheiten umstellt und die Corporation antwortet ebenso höflich: «Rückt die Server raus, oder eure mickrigen Gehirne sind bald nur noch Matsch an den Wänden dieser Bruchbude.»

Die Stimmung war leicht aufgeheizt, aber der Erkenntnis, dass man sich in einer Pattsituation befand, konnten sich dann beide Seiten nicht verweigern. Die StreetKids waren eingekesselt und hoffnungslos unterlegen. Hätten Sie die Übertragung gestartet, wären sie massakriert worden. Die Sicherheitsabteilung der Corporation wiederum kamen nicht rein, weil bei jedem Angriffsversuch hätten die Kids noch Gelegenheit gehabt die Übertragung auszulösen. Es war Zeit zu verhandeln.

Bei den StreetKids kam dann einer an den Draht, der sich mit Geiselverhandlungen auskannt. Er hatte sich wohl alle Staffeln von der Doku-Soap «Hostage-Rescue-Or-Kill-Team» angeschaut. Sein Gesprächspartner, ein gewisser Dimitri von «McKinsley», konnten wir leider nicht empfangen.

«Hallo Dimitri? Hören Sie, ich kann Sie so schlecht verstehen. Können Sie vielleicht den Motor etwas leiser drehen?»

«…»

«Ja so ists viel besser! Ja, ja fein. Jetzt verstehe ich Sie Dimitri»

«…»

«Ganz klar und deutlich! Ich kann Sie sehr gut verstehen. Sie können mich auch gut verstehen? Ja? Fein!»

«…»

«Wie Sie sehr richtig sagen, können wir uns ja nun beide gut verstehen»

«…»

«Gut! Fein, dass es Ihnen gut geht. Mir geht’s auch gut. Ganz meine Meinung, es ist schön wenn es einem gut geht.»

Die Einleitung dauerte noch eine Weile, und bis Sie auf Punkt kamen, war sehr, sehr viel Geduld gefragt. Wobei auf den Punkt gebracht vielleicht leicht übertrieben ist. Irgendwann kamen sie dann soweit, dass Sie sich gegenseitig versicherten, wie leid ihnen die aktuelle Situation tut:

«…»

«Mir tut es auch Leid, Dimitri, sehr leid!»

«…»

«Na schön, es tut Ihnen mehr leid als mir. Aber mir tut es ebenso leid!»

«…»

«Es tut mir genauso leid wie Ihnen Dimitri. Sie können nicht sagen, dass ihnen mehr leidtut als es mir leidtut. Mir kann es genau so leidtun wie Ihnen!»

«…»

«Es tut uns beiden gleich leid. Einverstanden?»

AAAAHHHH! Das war genug! Es reicht nun! Ich packe mir ein Mikro und klinke mich ins Gespräch ein: «Nun hört mal zu ihr Langweiler, kommt mal zur Sache! Das hält ja niemand aus, euch so zuzuhören. An eurer Stelle würde ich mal den Finger aus dem Arsch nehmen und vorwärts machen. Was denkt ihr macht Militec wenn Sie davon erfahren…»

Einer der Nomads reisst mir das Mikro aus den Fingern. «Spinnst du? Unser Kanal ist nicht gesichert? Du kannst doch nicht den Namen Militec in Klartext raussenden»

«Na und?» frage ich entnervt. «Was soll schon gross passieren? Denkst du die hören alles mit? Die Wahrscheinlichkeit dass Militec den Kanal zufällig abhört ist etwa 1 zu…»

Es blitzt. Mehrmals. Ein paar Sekunden später hört man ein Rumpeln.

Einen paar Minuten später strahlte der Nachrichtender NCNC (NightCityNewsChannel) Aufnahmen eines grossen Kraters voller Schutt, Rauch und lodernder Brände aus. Ein Sprecher moderierte:

«Aufgrund unbekannter Ursache ist ein Gebäude im Industriegebiet Nord2 explodiert. Anschein fand zeitgleich eine illegale Aktivität der Streetkids und der angesehenen McKinsley Corporation statt. Inwiefern diese Gruppen für die Ursache verantwortlich sind, wird zurzeit abgeklärt. Es scheint keine Überlebenden im Haus oder der unmittelbaren Umgebung gegeben zu haben. Eine zufällig in der Nähe befindliche Rettungsreinheit der Militec International Armaments ist vor Ort um erste Hilfe zu leisten und sich um die Überlebenden zu kümmern»

Kaum war die Übertragung zu Ende, ertönte auf dem internen Nomad-Funk unseres Konvois eine elektronische Stimme.

«Don’t fuck with Militec!»

Okay, die Nachricht ist angekommen und Wahrscheinlichkeiten sind nur Zahlen.

Nomads: Hier kann jeder sagen was er will und denkt, in der Hoffnung, dass es dann wer anderes ausbaden muss!