MoxTAC – Auge um Auge
Der junge Möchtegern-Edgerunner Philip möchte zu einer grossen Nummer in Night City werden. Doch der Weg ist steinig und Night City verzeiht keine Fehler.5
Kapitel 5
Episode 15 – 12.1.2023
«Wie kann ich helfen?» fragt Philip impulsiv.
30 Minuten später sitzen sie beide bei einem Glas Wasser im nächsten Tom’s Diner. «Seltsam: Wir kennen uns gar nicht und trotzdem sagt das Gefühl was ganz anderes. Als könnte ich dir alles erzählen. Als würde uns etwas verbinden. Und du bietest einfach so deine Hilfe an? Glaubst du an Schicksal?» fragt Juliette, die inzwischen etwas gefasster wirkt.
Philip zuckt etwas unbehaglich mit den Schultern. Romantische Gespräche sind nicht gerade seine Spezialität. «Naja, wir alle sind unseres eigenes Schicksals Schmied», zitiert er einen alten Klassiker der Philosophie unverbindlich und etwas unbehaglich, weil er irgendwie genau weiss, was sie meint und das gleiche fühlt.
Juliette schaut ihn etwas nachdenklich an. «Nun, wenn dein Angebot immer noch steht. Dann nehme ich das an, aus welchen Gründen auch immer du mir helfen magst.» sagt sie schliesslich. «Ich möchte, dass du mich begleitest, wenn ich mich mit meinem Alten treffe. Und mich beschützt und notfalls tust was nötig ist um…» Ihre Stimme bricht fast, als sie weiter redet: «mir ist es lieber, wenn ich sterbe, als dass ich wieder mit ihm…»
Sie holt Luft und fährt entschlossen fort, ohne Philip zu Wort kommen zu lassen. «Folgende Möglichkeiten: Du rufst ihn an, sagst, du hast den Job erledigt und wir machen einen Treffpunkt ab. Da kann es natürlich sein, dass er mit Verstärkung auftaucht. Oder wir schleichen uns in sein Büro an der Uni, vorausgesetzt wir können die Uni-Security überlisten und seine Bodyguards. Oder wir besuchen ihn dort, wo er es nicht erwartet und garantiert alleine ist: Nachts bei ihm Zuhause. Wir müssen nur einen Weg hinein finden, ich glaube nämlich nicht, dass meine Zugangscodes noch gültig sind. Was meinst du?»
Episode 16 – 16.1.2023
Philip und Juliette beschliessen, es bei Dr. Jones’ Zuhause zu versuchen.
Sie verlassen Tom’s Diner und schlendern schweigend zu Philips in der Nähe geparkten Autos. Es ist ein angenehmes Schweigen, findet Philip, trotz ihres Plans und der ungewissen Zukunft fühlt er sich seltsam gelöst und friedlich. Er fühlt sich stark zu Juliette hingezogen. Am liebsten hätte er ihre Hand genommen, aber sie kennen sich doch erst seit ein paar Stunden? Ob er es doch wagen soll? Immerhin scheint auch Juliette ihm zugetan zu sein. Sie geht nah an seiner Seite und ihre Schulter berührt oft seinen Oberarm.
Unfähig sich zu entscheiden, ist er sowohl erleichtert wie auch enttäuscht, als sie seinen alten klapprigen 4th-Hand-Thornton erreichen. Er geht zum Kofferraum, der sich mit einem rostigen Knirschen öffnet und entriegelt ein Metallfach unter der Bodenmatte. Er entnimmt dem Fach seine alte und zuverlässige Unity. Wie jeder, der auf den Strassen von Night City aufgewachsen ist, beherrscht er den Umgang mit Schusswaffen. Sein Handimplantat verbindet sich und sein Optikimplantat blendet Zielhilfe und Ladestand der Waffe ein. Als er die Waffe kurz auf die Wand gegenüber richtet, wird ein Fadenkreuz und die Distanz zum Ziel direkt in seine Sicht projiziert. Philip liebt das Gefühl, mit der Waffe eins zu sein und vergisst für einen Augenblick sogar Juliette. Zusammen mit 2 Reservemagazinen steckt er die Waffe ein, dann bemerkt er wie Juliette ihn fasziniert mit glitzernden Augen beobachtet.
«Ich glaube es wäre gut wenn wir nicht nackt gehen», sagt Philip. «Du hast nicht zufällig auch eine Waffe bei dir?» Als Juliette verneint, entnimmt er dem Fach seines kleine Überraschung, von ihm Stachel genannt: Eine unscheinbare Polycarbonitröhre, 15 cm lang 3 cm Durchmesser und auf Knopfdruck springt eine dünne, hässliche Klinge hervor: Ein Neurotoxin-Springmesser! Er überlegt, wie sie die Waffen aufteilen.
Episode 17 – 10.2.2023
Das erste Mal, seit er den Wagen besitzt, stört Philip die beengten Platzverhältnisse nicht. Er findet die Nähe zu Juliette nämlich ausgesprochen angenehm. Sie fahren schweigend Richtung Stadtzentrum. Eine sonderbare Spannung scheint die Luft zwischen ihnen zum Knistern zu bringen, geboren aus gegenseitiger Anziehung und wachsender Aufregung aufgrund ihres Vorhabens. Aber, was haben sie eigentlich vor? Sie haben keinen Plan gemacht und es scheint auch nicht so wichtig zu sein, findet Philip. Es ist nur wichtig, etwas zu tun, sich Juliettes Vater Dr. Jones zu stellen. Alles andere würde sich finden.In der Nähe des grossen Hochhauses, in dem sich Dr. Jones Apartment befindet, parken sie.
«Hier ist’s!» mein Juliette klamm. Aus dem Auto heraus begutachten sie das grosse elegante Gebäude. «31. Stockwerk.»
«Und was nun?» fragt Philip, «Ich kann mir schlecht einen Weg durch die Security ballern.»
«Und uns als Pizzaboten auszugeben wird wohl auch nicht klappen.» meint Juliette mit einem schwachen Lächeln. «Es wäre ja möglich, dass meine alten Schlüsselcodes zur Wohnung noch funktionieren und wir einfach rein spazieren können. Aber ich glaube es wäre besser heimlich vorzugehen. Als Kinder haben wir bei einem der Zugangsschächte für die Postdrohnen den Schliessmechanismus immer abgeklemmt, damit wir unbemerkt raus konnten und eine Runde auf der Strasse drehen. Na gut das ist schon paar Jahre her, aber mit etwas Glück… wer weiss.»
Philip zückt seine Waffe, lädt sie durch und sichert sie, bevor er sie wieder in den Hosenbund steckt. «Glück in Night City?» meint er leise und zweifelnd und steigt aus dem Wagen. «Und manchmal können Schweine fliegen. Okay, wie gehen wir vor?»
Episode 18 – 18.2.2023
Night Citys Megatower sind meist mit Rohrleitungen direkt an die Verteilungssysteme der verschiedenen Kurier- und Postdienste angeschlossen, in anderen Gebäuden erfolgt die Zustellung von mehr oder weniger essentiellen Gütern der Megacorpos mittels fliegenden Drohnen. Doch noch vor ein paar Jahren wurde dies durch autonome Fahrzeuge erledigt, die selbstfahrende Paketdrohnen durch Metallschleusen gesicherte Postschächte absetzten. Diese Schleusen wurden dann meist versiegelt und rosten nun vor sich hin.
Es ist ein Leichtes für Philip und Juliette, in die Tiefgarage des Gebäudes zu gelangen. Sie müssen nur ein rausfahrendes Fahrzeug abwarten und dann durch die Garagentür schlüpfen, bevor es sich wieder schliesst. Kurz darauf stehen sie auf dem untersten Parkdeck vor dem Gitter, das als Schleuse fungiert, gleich nahe einer soliden, verschlossenen Metalltür, welche als Zugang zur Haustechnik dient. Schnell ist klar, dass das Gitter sich nicht mehr bewegen lässt. Rost und Vandalismus haben die Führungsschiene komplett verformt und blockiert, nur eine Spaltbreite des Gitters ist offen. Philip tritt mit Anlauf ein paar mal dagegen, das Gitter rührt sich keinen Millimeter.
«Scheisse, was jetzt?» fragt Philip gefrustet und tritt nochmal heftig zu. «Hätte mich gewundert wenn es geklappt hätte, in Night City gibt es kein Glück. Ich kann ja versuchen mich durchzuballern. Oder ich schliesse eine Karre kurz und ramme das Scheissding»
«Du passt da nicht durch, aber ich schon. Ich quetsche mich durch den Spalt und such’ dann von innen einen Weg zur Wartungstür, öffne und kann dich reinlassen», schlägt Juliette vor, mit einem Tonfall, der besagt, Philip solle sich zusammenreißen. «Auf jeden Fall besser, als wenn wir von Querschlägern getroffen werden oder uns im Auto zusammenfalten lassen».
Philip ist skeptisch, ob die zierliche Juliette wirklich durch den Spalt passt?
Auge um Auge – Kapitel 1
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Auge um Auge – Kapitel 2
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