Der mysteriöse, unbekannte Strassen-Künstler von Night City „Punksky“ hat ein neues NFT-Kunstwerk erschaffen. Ob es im Verkauf viel einbringt?
Der kleine Saal ist wie immer bis auf den letzten Platz gefüllt. Mindestens ein Viertel waren Medienschaffende, wie der Kunsthändler und Auktionator Luvland Gaunt zufrieden feststellt. Ohne Publicity gibt es schliesslich auch kein gutes Geschäft. Nach einer kurzen Begrüssung, kommt Luvland Gaunt auch gleich zur Sache.
«Ohne weiter drum herumzureden, kommen wir gleich zum Punkt, meine verehrten Anwesenden. Oder besser zum Punk, nämlich den Street-Art- und neu auch NFT-Künstler ‘Punksky’.» Die rund 150 Anwesenden kommentieren den billigen Witz mit einem nervösen, pflichtschuldigen Lachen. Gaunt stört das nicht, solche Sachen gehören nun mal zur Show.
«Wie immer hat Punksky unsere Agentur `Needful Art Things` engagiert seine neuste NFT-Kreation in seinem Namen zu versteigern. `Needful Art Things` ist stolz, ein Künstler seines Renommees zu seinen Kunden zählen zu dürfen. Da gehen wir auch gerne auf seine doch spezielle Anforderung betreffend des Auktionsablaufs ein.»
Ein Zwischenruf aus dem Publikum unterbricht Gaunt. «Sie sagten `Ein Künstler`, wissen Sie denn nun mehr über den Hintergrund und die Identität? Gibt es neue Erkenntnisse?» fragt Miranda Karima von Channel 32.
Gaunt verkneift sich ein Lächeln. Die Presse war manchmal so einfach zu spielen wie… nun ja, wie was Einfaches. «Entschuldigen Sie bitte meinen faux pas, Miss Karima, natürlich könnte es auch eine Künstlerin sein. Leider ist es noch niemandem gelungen verlässlich Hinweise auf die wahre Identität unseres Night City Vorzeige Guerilla-Künstlers zu erlangen.» Antwortet Gaunt und fährt fort «Zu den Wünschen des oder der Künstler oder Künstlerin: «Die Auktion muss vor Ort stattfinden, Ferngebote sind nicht zulässig. Jedoch steht es Ihnen frei Agenten zur Auktion zu senden um die erforderliche Vertraulichkeit und Anonymität zu wahren. Ausserdem ist eine neue Bedingung von Punksky,» Gaunt verzieht schmerzlich das Gesicht, «dass der Auktionator, also meine Wenigkeit, nur noch 0.5% statt den bisher üblichen 5% Provision erhält – und das Mindestgebot wird auf 10 Eurodollar festgesetzt.»
Ein Raunen geht durch den Saal. Innerlich frohlockt Gaunt und versucht dabei seine säuerliche Miene aufrecht zu erhalten. Das würde ihn für paar Tage zum Stadtgespräch in der kunstinteressierten Bohème machen.
«Wir kommen zum Werk, dass ich Ihnen nun gerne präsentieren möchte. Meine Damen und Herren: «Matter-of-fucktly» das neuste Werk von Punksky. Auf dem 2×4 Meter grossen Bildschirm hinter Gaunt wird das Werk eingeblendet. Ein weiteres Raunen im Publikum.
Gaunt fährt fort. «Lassen Sie mich das Werk kurz vorstellen inklusive meiner bescheidenen Interpretation dazu. Auf der hintersten Ebene, aufgeraut, ein Symbol für die Asphaltstrassen von Night City in Blutrot, für die Gewalt und die Anarchie die auf den Strassen herrschen. Die wie Plastik aussehende Form steht für den fruchtlosen Versuch, der Strasse Herr zu werden, einen künstlichen Rahmen zu schaffen, jedoch ist dieser defekt und deformiert. Die 3 künstlichen geometrischen Formen im linken unteren Bereich könnten für die 3 Gewalten der Stadt stehen, die nur als Randfiguren ihr Dasein fristen. Stattdessen herrscht animalische Gewalt, welche mit den 5 Kratzspuren verdeutlicht wird. Die schönen Seiten und die Vielfalt, dargestellt in der oberen rechten Ecke durch den Regenbogen, verblasst unter allem anderem.»
Die Menge hört gebannt zu, einige machen sich Notizen, Agenten stehen mir ihren Käufern in Verbindung und tauschen sich aus.
«In der Mitte jedoch steht das Herz, als einzig klar erkennbare Komponente. Jedoch ist das nicht das Herz der Liebe, sondern eines aus Gold. Zusammen mit der Anrufung darauf, wird klar dargestellt worum es in Night City, nach Meinung von Punksky wirklich geht: Alle Liebe, alles Streben dient nur dem Gewinn von Reichtum und Macht! Der schmutzige graue Regen vor der ganzen Konstellation, zeigt die Verderbtheit und die Unreinheit der Stadt. Wirklich ein sehr starkes Werk! Sehr kritisch, ein wahrer Punksky!» Gaunts Erklärung gingen noch eine Weile weiter, als er immer mehr in die Details des Kunstwerks analysiert. Schlussendlich startet die Aktion bei einem Startgebot von 10 Eddies.
35 Minuten später wurde das Kunstwerk, beziehungsweise das digitale NFT-Zertifikat, welches behauptete, man besitze nun das Bild, für 8.6 Millionen Eddies von einem unbekannten Bieter ersteigert.
Gaunt war sehr zufrieden damit. Die Idee, die Krakeleien seines 4-jährigen Neffen etwas aufzupeppen und zu versteigern, war doch viel besser, als diese an seinem heimischen Kühlschrank zu heften und dort versauern zu lassen. 0.5% Provision ist ja nicht viel, aber die 99.5% des Verkaufserlöses auf das anonyme Konto ist doch ganz ansehnlich .Er beschliesst ihm ein kleines Geschenk zu organisieren, sobald er dazu kommt. Vielleicht ein Braindance für Kinder? Die waren bei `Cybermarket` grad im Angebot.
Wer nicht lesen mag oder kann: Hier die Geschichte als Audio, gelesen von Nerderlei. (Vielen Dank, du bist die Beste!)
Eine riesengrosses Danke an die beste und tollste Nerderlei, die mir beim korrigieren und mit viel Zuspruch geholfen hat – und immer wieder hilft, einfach schon nur, weil es sie gibt und die auch meine hyperaktiven Phasen erträgt.
Sie hat auch einen sehr lesenswerten Blog unter www.nerderlei.de
(Und egal wie toll sie korrigiert, ich schaffe es immer Fehler vorbeizuschmuggeln oder neu reinzubringen.)